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Ich mache es anders

elterliche Apotheke 1, 1984. Foto: privat
elterliche Apotheke 1, 1984. Foto: privat

Dieser Blogbeitrag entstand im Rahmen der Blogparade von Dagmar Recklies. Sie stellt Selbständigen die Frage: "Wie ist es, mit Dir zu arbeiten?"

 

Diese Frage möchte ich folgendermaßen beantworten: 

Ich komme aus einer toxischen Unternehmerfamilie. Mein Vater studierte Pharmazie, weil sein Vater das auch gemacht hat. Eigentlich wollte mein Vater lieber Innenarchitekt werden, aber das Studium hätten seine Eltern nicht finanziert. Es gab die stumme Vereinbarung, dass unsere "Linie" Apotheker werden muss. Für mich war schon als Kind klar, dass ich mit Pharmazie so ziemlich nix am Hut habe. Ich bin die Sprachen- und Wortkünstlerin. Immer gewesen, bis heute. Als ich kurz vor dem Abitur mitgeteilt habe, dass ich Journalistin werde, sagte mein Opa kühl und knapp: "Schmierfinken und Schnüffler haben bei uns keinen Platz."

Ich hatte es gewagt, die Familientradition zu brechen. Und ab dem Moment hatte man mir den Platz in der Familie auch gekündigt. Meine Oma gab mir damals 1000 Mark als Start in mein Berufsleben - und ab da war jeglicher Kontakt mit mir dann unerwünscht. 

 

Bei meinen Eltern habe ich als Kind und Jugendliche gesehen, was mangelndes Selbst-Bewusstsein in Kombination mit Unternehmertum macht: Hochmut, gepaart mit mangelnder Empathie. Kunden waren nur Geldbringer, keine Partner, die man unterstützt. Meine Eltern haben sich nicht als Dienst-Leister gesehen, sondern als Glücks-Bringer, für die die halbe Nation - in dem Fall ein badisches Dorf - dankbar zu sein hat.  Durch nicht ausgeprägte Sozialkompetenz meiner Eltern, die auf einem kleinen Dorf in Mittelbaden eine Apotheke eröffneten, gab es sehr schnell Differenzen und Ablehnung von Seiten der Bevölkerung. Meine Mutter verlor als "Frau Apotheker" fix die Bodenhaftung und verstand nicht, dass es in einem sehr ländlich geprägten Umfeld nicht gut ankommt, mit dem Cashmere-Mäntelchen einkaufen zu gehen und ständig zu betonen, dass man die Frau vom Apotheker sei. 

Der nach außen getragene neue Reichtum machte mich als Tochter zum Außenseiter in der Schule. Ich wurde das "Bonzenkind" genannt und gehänselt. 

Nach nur zwei Jahren nach Eröffnung haben meine Eltern die Apotheke und das neu sanierte Haus verkauft - schuld in ihren Augen waren die "undankbaren Kunden", Differenzen mit Ärzten, und offen ausgesprochene Kritik gegen das sehr unprofessionelle Verhalten meiner Eltern. Selbstreflektion war leider nicht vorhanden. Wir zogen durch halb Baden-Württemberg und meine Eltern eröffneten insgesamt 3 Apotheken in Folge und gaben jede davon mit den gleichen Gründen wieder auf. 

 

Trotz dieser ziemlich unproduktiver Vorbilder vom Unternehmertum bin ich heute auch selbstständig. Und zwar in der Branche, für die mein Herz schlägt: Text, PR, Marketing, Ghostwriting. Ich bin mir trotz aller Ablehnung in der Familie treu geblieben und ging meinen Weg. 

 

Für mich ist konstruktive und positive Kommunikation der Schlüssel zum Erfolg. Gepaart mit Authentizität. Ich nehme nur Aufträge an, hinter denen ich stehe und die ich vertreten kann. Meinen Kunden begegne ich auf Augenhöhe - ich bin nicht klüger oder besser als meine Kunden. Ich verfüge über Spezialwissen, das ich teile, mit dem Ziel, dass meine Kunden eine Lösung erhalten, verbunden mit einem guten Gefühl. 

Ein gutes Gefühl in der Zusammenarbeit mit mir zu haben - das ist mir wirklich wichtig. Ich strebe langfristige Kooperationen an, in denen man einen Weg, eine Strategie erarbeitet und auch umsetzt. 

Mit meinem Erfolg gehe ich nicht hausieren, das Getöse meiner Unternehmer-Eltern damals hat mich eher still gemacht. Ich habe gesehen, dass Hochmut vor dem Fall kommt - meine Eltern sind mit ihrem Verhalten als Unternehmer ziemlich heftig gescheitert. 

 

Meine Kunden schätzen an mir, dass ich sehr lösungsorientiert denke und agiere. Ich lasse mich komplett auf ein Kundenprojekt ein, als wäre es mein eigenes, und entwickele "out of the box" passende Strategien und zeige Wege auf, die zuvor nicht auf dem "Radar" waren. Ich fühle mich wohl mit dem, was ich tue und wie ich es tue. Ich tue es mit Ruhe. Mit Weitblick. Und mit dem Ohr am Kunden. Stets lauschend, was genau gefragt ist. Ich sehe mich als herzliche Dienst-Leisterin und bekomme genau das als Feedback von meinen Kunden zurück. Darauf bin ich stolz. Ich bin stolz darauf, meinen eigenen Weg gefunden zu haben und gegangen zu sein. Als Mensch. Als Unternehmerin. 

 

Liebe Grüße. Steph

 

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Kommentare: 4
  • #1

    Dagmar Recklies (Dienstag, 14 März 2023 18:02)

    Was für ein berührender Beitrag. Danke, dass Du damit meine Blogparade bereicherst.
    Ich muss gerade daran denken, dass Du trotz Deiner "Vorbilder" Unternehmerin geworden bist und ich, obwohl ich keine hatte.

    Liebe Grüße
    Dagmar

  • #2

    Martina Roters (Donnerstag, 23 März 2023 20:30)

    Wow! Das war der eindringlichste Beitrag unter allen bisher gelesenen. Hat mir sehr gefallen.

  • #3

    Ulrike Bergmann (Mittwoch, 29 März 2023 10:02)

    Herzlichen Dank für diesen personlichen Beitrag. Er ermutigt dazu, sich selbst treu zu bleiben - ein Thema, das sich auch durch meine eigene Biografie als eher graues Schaft meiner Familie zieht.

  • #4

    Melanie Gerhard (Mittwoch, 17 Mai 2023 19:51)

    So ein inspirierender Beitrag! Wie schön, dass du dir treu geblieben bist und DEINEN Weg gehst. Danke für deine Offenheit, das zu teilen und den Mut, dein So-Sein zu leben.

    Liebe Grüße
    Melanie